Im Dazwischen
Die Verbindung von Raum, Klang und Fotografie
Bachelor Thesis

Fotografisch erkunde ich den Stadtraum und mache mich auf die Suche nach leeren und vollen Räumen. Ich tauche in den Strom der Gesellschaft ein und versuche, eine bewusste innere Haltung vom Loslassen und der Absichtslosigkeit einzunehmen, die die Umgebung weder gut noch schlecht bewertet. Dabei übe ich mich im unvoreingenommenen Sehen, um in einen Fluss zu kommen, der die Dualität zwischen Fotografin und Objekt auflöst. Ich setze mich bewusst in die Rolle der Beobachterin, die sich aktiv mit dem Moment auseinandersetzt, sich mitten im Geschehen aufhaltet, dabei aber unsichtbar bleibt. Ich möchte herausfinden, wie ich die Atmosphäre und die Stimmung zwischen Subjekt und Objekt auf einem Bild sichtbar machen kann, denn laut Gerhard Böhme, ist die Atmosphäre erst durch die physische Anwesenheit spürbar. Als Ziel möchte ich wie
Roland Barthes beschreibt, herausfinden, wie ich das Punctum erreiche, also wie ich den Betrachter, die Betrachterin auf eine Weise mit dem Bild berühren kann.



Klangbild
Bachelor Thesis Workshop von Franziska Steiner & Daniel McAlavey


Mit einer Bratkelle in der Hand und meiner Kamera umgehängt rufe ich: «Auf geht’s» und fordere die motivierte Gruppe auf, loszulegen. Die erste Tür wird geöffnet, wir durchqueren einen kurzen, dunklen Gang und benützen am Ende die Tür, die nach links ins Treppenhaus führt. Mein Blick schweift nach oben durch die Sicherheitsgitter, die am Treppengeländer angebracht sind. Es sieht aus, als würde die eckige Wendeltreppe bis in den Himmel ragen. Der Blick nach unten zeigt mir, dass wir uns unter dem Boden befinden. Unsere Schritte und Stimmen hallen im Treppenhaus und vermischen sich zu einem unklaren Gebrabbel. Von unten steigt ein muffiger Geruch auf, der sich beim Abstieg zunehmend verstärkt. Im ersten Untergeschoss öffne ich das Gittertor. Ich lasse die Gruppe passieren und schliesse es wieder hinter mir zu. Unangemeldete Gäste sollen sich nicht nach unten verirren. Die Tür zum alten Weinkeller ist nur angelehnt. Trotzdem schieben wir ein Holz dazwischen. Wenn ich mir vorstelle, hier eingesperrt zu sein, packt mich eine leichte Panik. Kein Mensch würde uns da hören können. Ich bleibe stehen und schliesse meine Augen, während die achtköpfige Gruppe ausschwärmt. Die Schritte entfernen sich und hallen lange nach. Kann ich meinen Atem hören? Ist es still?




Klang- & Rauminstallation am HyperFestival 

Von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit oder voraus in die Zukunft? Auf dem Weg zum Güterwagen, überquere ich alte Bahngleise. Man sieht ihnen an, dass sie seit einiger Zeit nicht mehr in Betrieb sind, Pflanzen durchdringen langsam den steinigen Boden, die Gleise sind rostig. Die Sonne brennt von oben, direkt auf den Schotter, der die Hitze speichert und sie wieder abgibt. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem Backofen mit Ober- und Unterhitze. Während des Spazierens, lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Wozu wird dieser Ort noch gebraucht? Wie war er früher und was wird in Zukunft aus ihm werden? Ein Geräusch, ein Geruch in Kombination mit dem Anblick meiner Umgebung, lassen Bilder, Erinnerungen, Assoziationen in mir aufsteigen. Von Weitem sehe ich auf dem Bahngleis einen niedrigen Tisch und zwei Bänke stehen, über die ein kleiner, blauer mit Blumen verzierter Sonnenschirm aus den sechziger Jahren, seinen Schatten wirft. Ich höre Stimmen und Gelächter von jungen Menschen, die sich am Tisch amüsieren, gegenüber erblicke ich einen alten, hölzernen Güterwagen, aus dessen Inneren Geräusche und Klänge ertönen. Der Anblick des Güterwagens versetzt mich in die Vergangenheit und evoziert in mir verschiedenste Bilder. Zweiter Weltkrieg, Abtransport, Nazizeit. Ich stelle mir vor, wie der Schaffner mit einem Pfiff den Zug zur Abfahrt aufruft und Menschen weggebracht werden, deren Angehörige verzweifelt dem Zug hinterherwinken. So erschüttert, wie ich es aus Erzählungen, Erinnerung, Geschichten, Filmen kenne. Ich steige die selbstgebaute Treppe aus Bierkisten und Holzlatten hoch. Die Türe des Güterwagens wird hinter mir zugeschoben. Klirrende Geräusche, die aus den in den Ecken hängenden, in Hanfseilen eingebundenen Boxen dröhnen, versetzen mich in eine andere Welt. Der fliegende Kaffeebecher in der Mitte des Raumes, der von einem Licht in wechselnder Farbe angestrahlt wird, lässt den Raum surreal wirken. Die zusammengeknüpften Seile, knarrende Dielen, und ein intensiver Duft von Holz, lassen mich wie auf einem mittelalterlichen Kahn, in einer Zeit von Kriegen, Mord und Todschlag dahingleiten. Die Farbe Rot breitet sich warm im Raum aus und unterstreicht meine Wahrnehmung. Ich konzentriere mich auf die Klangwelten. Nach und nach befinde ich mich in meiner Vorstellung in einem Industrie Areal oder einer Fabrik, wo es lärmig ist und hart gearbeitet wird. Es fühlt sich düster an. Die Farbe Blau kann ich in diesem Augenblick nicht zuordnen. Ich schreite hinters Stehpult und drehe an den drei Kugeln, die aus einer Holz Box ragen. Die blaue Farbe versuche ich in eine Pastellfarbe umzuwandeln, die ich mit dem aktuellen
Erinnerungsempfinden verbinden will. Nachdem die Klänge für einen Moment verstummen, werden die Geräusche mit Stimmen vermischt, es wirkt fröhlicher und lebendiger. Ich entscheide mich, auf den kleinen, hölzernen Hocker mitten im Raum zu sitzen. Nein, noch besser: Ich setze mich unter die «fliegenden Kaffeetasse» und schliesse meine Augen. Langsam blende ich das farbige Licht, das schwebende Objekt und alles um mich herum aus, meine Gedanken schweifen ab. Vor mir macht sich eine Welt auf, die mir ein zukünftiges Leben auf diesen Bahngleisen und im Güterwagen aufzeigt. Die Klänge werden immer wie fröhlicher, als würden sie miteinander plaudern. Ich fange an, mir den Wagen als meine Bleibe in der Vorstellung einzurichten: In
der linken Ecke das Bett, rechts die Küche. Auf dem Abstellgleis gibt es mehrere Wagen, wo Familien oder kleine Wohngemeinschaften leben. Die Bewohnenden haben hier jeweils einen kleinen Rückzugsort gefunden, es gibt aber viel Raum, um gemeinschaftlich zu leben und sich auszutauschen. Verbinde die Punkte, Doing care! Der Kreis schliesst sich. 




Vinyl Schallplatte
Um die Musik bei der Abschlusspräsentation abzuspielen, entsteht eine durchsichtige Vinyl Schallplatte.



Festival Zeiträume Basel
Puppenspiel - ein Projekt mit Jazzmusiker Daniel McAlavey

Nach Abschluss des Bachelorprojekts entsteht die Möglichkeit, die im Workshop erarbeitete Musik am Zeiträume Festival, Biennale für neue Musik und Architektur in Kooperation mit der Musik Akademie Basel zu präsentieren. Die durchsichtige, auf dem Plattenspieler drehende Vinyl Schallplatte begleitet die sich im Winde bewegende, geisterhafte Puppe. Dieses Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit Jazzmusiker Daniel McAlavey, der ebenfalls in der Leitung des Workshops "Klangbild" war.
Im Dazwischen
Published:

Im Dazwischen

Published: